
Survival Cats
Survival Cats | Leseprobe
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Leseprobe zu Verbotene Blicke | Kapitel 1
„Kieselfell! Kieselfell!“
Die Rufe seiner Clangefährten hallten in seinen Ohren wider wie ein aufbrandendes Echo. Für einen Herzschlag war er sprachlos, überwältigt von dem Gefühl, nun endlich Krieger zu sein. In seiner Brust pochte das Herz, als wolle es jeden Moment aus seinem Brustkorb springen. Neben ihm erklang ein zweiter Name, den der Clan gleichermaßen jubelnd rief: „Kleeblatt! Kleeblatt!“
Mit einem Mal schoss ihm warmes Blut in die Ohren, und er merkte, wie seine Schnurrhaare vor Aufregung zuckten. Neben ihm stand seine Schwester, deren silbernes, langhaariges Fell vor Lebenslust vibrierte. Kleeblatt konnte kaum stillstehen; immer wieder peitschte ihr Schweif durch die Luft, und sie strahlte über das ganze Gesicht.
„Wir haben es endlich geschafft!“, japste sie, warf ihm einen überquellenden Blick zu und stupste ihn an die Schulter.
Kieselfell, noch benommen von den letzten Augenblicken, brachte ein Lächeln zustande.
„Ja, wir sind jetzt Krieger“, sagte er leise, doch sein ganzer Körper durchströmte Stolz.
Um sie herum tobte das Lager des HimmelsClans vor Begeisterung. Angeführt hatte die Versammlung niemand Geringerer als Riffstern, ihr Vater und Anführer des HimmelsClans. Er saß hoch oben auf dem Baumstumpf, von dem aus er zu allen Katzen hinabsah. Neben ihm erhob sich die kräftige Gestalt von Eichenfrost, dem Zweiten Anführer.
Kieselfell fiel auf, wie selbst Eichenfrost – sonst so gelassen und manchmal fast ein bisschen distanziert – vor Stolz glühte. Vermutlich freute er sich, nun zwei weitere Krieger in den Reihen des Clans zu haben. Und wie Kieselfell wusste, hatte Eichenfrost noch einen weiteren Grund zur Freude: Seine Gefährtin Sperlingherz hatte sich vor Kurzem in die Kinderstube zurückgezogen und würde bald Junge erwarten.
„Nun, da wir so viele Krieger haben, muss der Kriegerbau vergrößert werden“, verkündete Riffstern in diesem Moment mit tiefer, angenehmer Stimme. „Deswegen solltet ihr zwei fürs Erste noch im Schülerbau schlafen!“
Der graublaue Kater spürte ein kleines Stechen der Enttäuschung – gleichzeitig wusste er, dass es nur ein vorübergehender Zustand sein würde. Kleeblatt ließ sich davon aber nicht irritieren.
„Na und?“, sagte sie schnaubend, „Hauptsache wir sind jetzt Krieger!“
Kieselfell ließ seinen Blick durch das Lager gleiten. Rosensturm lag vor der Kinderstube, und ihre beiden Jungen krabbelten fröhlich über sie und ihren Gefährten Flammenherz hinweg. Die beiden Kleinen – Rubinjunges und Springjunges – waren kaum zu bändigen und würden bald alt genug sein, Schüler zu werden.
Ein sehnsuchtsvolles Lächeln huschte über sein Gesicht. Er fragte sich, wie diese Jungen wohl später als Krieger sein würden. Vielleicht würden sie eines Tages zusammen in einer Schlacht stehen – doch da blieb zu hoffen, dass der Frieden zwischen den Clans lange anhalten würde.
In der Nähe des Heilerbaus konnte Kieselfell Schattenfrost und Regenschimmer erkennen, die beiden Heiler. Schattenfrost, ein schwarzer Kater mit grauen Ohren, stand reglos und wirkte wie ein ruhiger Fels inmitten der Aufregung. Neben ihm wirkte Regenschimmer, der kleine blaugraue Kater, fast ein wenig aufgeregt. Regenschimmer hatte immerhin Kieselfells erste Wunden während seiner Schülerzeit behandelt, als er mal zu eifrig einen Ast hochgeklettert war und herunterstürzte. Ihre Blicke trafen sich kurz, dann neigte Regenschimmer anerkennend den Kopf. Kieselfell erwiderte die Geste mit einem leichten Zucken der Schnurrhaare.
Ein Stück weiter hockten Abendschweif, Sandwolke und Sturmschwinge vor dem Kriegerbau. Diese drei waren erst vor Kurzem zu Kriegern ernannt worden und machten sich nun einen Spaß daraus, lauthals zu verkünden, wie froh sie waren, nicht mehr die Jüngsten im Bau zu sein. Kieselfell schmunzelte. Er konnte sich noch gut daran erinnern, wie er in seiner Schülerzeit mit Kleeblatt, die drei oft gefragt hatte, wie das Leben als Krieger so wäre.
Kleeblatt stupste ihn erneut an.
„Hey, träumst du schon von großen Taten, Bruder?“
Kieselfell bemerkte erst jetzt, dass er sekundenlang ins Leere gestarrt hatte. „Vielleicht“, gab er zu und schüttelte leicht den Kopf. „Ich frage mich nur, was Wuschelohr jetzt wohl sagen würde…“
Ein schneller Stich fuhr durch sein Herz. Wuschelohr, der frühere Zweite Anführer und beste Freund von Riffstern, war vor sechs Monden im Kampf gegen Löwenstern gestorben – und das ausgerechnet, um Kieselfell zu retten. Wie oft hatte er an jenen Tag zurückgedacht, an dem sich Wuschelohr Löwenstern entgegenwarf, obwohl er wusste, wie gefährlich dieser Kater war. Dieses Opfer war unvergessen, und noch heute spürte Kieselfell die Trauer wie eine verschwommene Präsenz, die ihm in schwächeren Momenten die Kehle zuschnürte.
„Du weißt, dass Wuschelohr mächtig stolz auf dich wäre“, murmelte Kleeblatt unerwartet sanft. Ihre Stimme klang plötzlich viel reifer, als man es von der sonst so verspielten und übermütigen Kätzin erwarten würde.
„Ja, das glaube ich auch“, sagte Kieselfell und warf einen raschen Blick zu Riffstern. Der wirkte gerade ernst, sprach leise mit Eichenfrost, während Blumenschweif, Riffsterns Schwester, ebenfalls dazu trat.
Plötzlich vernahm Kieselfell Schritte hinter sich. Bienenfell, seine ehemalige Mentorin, tauchte auf. Die sandfarbene Kätzin strahlte ihn an und drückte sich gleich stolz an seine Flanke. „Ich wusste, du würdest es schaffen!“, rief sie mit vor Rührung vibrierender Stimme. „Du hast alles gelernt, was ich dir beibringen konnte. Ich hoffe, du vergisst meine Lektionen nie!“
Kaum war Bienenfell wieder einen Schritt zurückgetreten, wirbelte eine flammend rote Kätzin heran: Feuerflug. Sie steuerte direkt auf Kleeblatt zu und verpasste ihr einen lockeren Schlag aufs Ohr.
„Du hast dein großes Maul ja gern zu weit aufgerissen, Kleeblatt“, lachte sie, „aber diesmal hattest du recht: Ihr habt es wirklich geschafft!“
Kleeblatt schob die Ohren nach hinten, sichtlich vergnügt.
„Tja, wenn ich etwas anpacke, dann richtig“, verkündete sie stolz, strich aber gleichzeitig Feuerflug freundlich um die Beine.
Feuerflug war im HimmelsClan hochgeschätzt: Ursprünglich war sie eine Streunerin gewesen, ehe Blumenschweif sie vor einiger Zeit ins Lager gebracht hatte. Seitdem war sie zu einer unschlagbaren Kriegerin herangereift, und viele Jungen sahen zu ihr auf. Selbst die Älteren murmelten bewundernd, dass man gegen Feuerflug lieber nicht kämpfen wollte.
„Glückwunsch euch beiden!“, rief Blumenschweif in diesem Moment. Sie hatte sich etwas von Riffstern und Eichenfrost entfernt und näherte sich mit glänzenden Augen. „Ich erinnere mich noch an den Tag, als ihr kaum größer als ein paar Maulwurfjunge gewesen seid und überall herumgetobt habt. Jetzt seid ihr Krieger! Wo ist nur die Zeit geblieben?“
Kieselfell grinste stumm.
Fast zeitgleich trat nun auch Riffstern an sie heran, gefolgt von Silberduft. Ihr Vater hob das Kinn und musterte seine frisch gebackenen Krieger mit strahlenden Augen.
„Seht ihr, es war gar nicht so schlimm“, schnurrte er.
Kieselfell wollte etwas erwidern, doch da schaltete sich Silberduft ein. „Wir sind so stolz auf euch!“, platzte es aus ihr heraus, und ihre Stimme überschlug sich beinahe vor Freude. Ehe Kleeblatt oder Kieselfell reagieren konnten, leckte sie ihnen über die Stirn.
„Hey, lass das“, murrte Kleeblatt, die sich beschämt wand. Sie war zwar immer sehr draufgängerisch, konnte es aber überhaupt nicht leiden, wenn ihre Mutter sie so in aller Öffentlichkeit putzte.
Silberduft ließ sich nicht beirren. „Ich bin immer noch deine Mutter“, erwiderte sie und zog Kleeblatt mit einer sanften, aber festen Pfote ein Stück zu sich. „Selbst die stolzesten Krieger werden ab und zu von ihrer Mutter geputzt. Gewöhn dich daran!“
Kieselfell hätte beinahe losgelacht, konnte sich aber noch rechtzeitig beherrschen. Manchmal spürte er fast ein Ziehen in der Brust, wenn er an jene dachte, die diesen Moment nicht mehr miterleben konnten. Doch schließlich verdrängte er die Trauer für den Augenblick und atmete stattdessen die Zufriedenheit ein, die den gesamten Clan zu umhüllen schien.
Neben ihnen tauchte Blumenschweif wieder auf und warf Riffstern einen verschmitzten Blick zu.
„Bald müssen wir uns wirklich überlegen, wie wir den Kriegerbau vergrößern. Wir platzen ja jetzt schon aus allen Nähten.“
Riffstern nickte.
„Das meine ich ernst“, fügte er hinzu, während er Kieselfell und Kleeblatt ansah. „Bis wir eine Lösung gefunden haben, bleibt ihr einfach noch im Schülerbau. Eine Art Übergangslösung.“
Kleeblatt stieß ein kurzes, gutmütiges Schnaufen aus.
„Ich schlafe auch auf einem Baum, solange man mich Kriegerin nennt.“
„Dann hänge ich eben an deinem Schwanz, Schwester“, gab Kieselfell in einem seltenen humorvollen Ton zurück und erhielt dafür von Kleeblatt einen verblüfften Blick. Er war für gewöhnlich ruhiger, doch der Stolz, Krieger zu sein, löste selbst in ihm ungewohnte Leichtigkeit aus.
„Ihr habt uns so weit gebracht, Mutter, Vater“, sagte er ehrlich. „Ohne euch wären wir…“
„Ach was“, unterbrach Silberduft ihn sanft. „Ihr habt das aus eigener Kraft geschafft. Riffstern und ich haben nur dafür gesorgt, dass ihr nicht vom Weg abkommt.“
„Ich bin sicher, Wuschelohr schaut von den Sternen herab und lacht vor Glück“, meinte Blumenschweif leise. „Er hat immer gesagt, dass ihr beide irgendwann Großes vollbringen würdet.“
Kieselfell schluckte. „Er hat uns sehr viel bedeutet.“
„Er bedeutet uns allen viel“, fügte Riffstern hinzu. Offenbar fiel es auch ihm nicht leicht, an seinen alten Freund zu denken, ohne den Schmerz zu spüren.
Für einen Moment senkte sich eine nachdenkliche Stille über die Runde, nur das Lachen der Jungen vor der Kinderstube durchbrach die Ruhe. Rubinjunges und Springjunges jagten sich wie zwei kleine Fellbälle um Rosensturm herum und stellten lauter Fragen, die Rosensturm in Geduld zu beantworten versuchte.
Dann räusperte sich Bienenfell, als wolle sie die trübe Stimmung zerstreuen.
„Hey, ihr beiden“, wandte sie sich an Kieselfell und Kleeblatt, „wollt ihr nicht etwas essen? Inmitten der Feierlichkeiten haben wir eine ordentliche Frischbeute-Auswahl. Ihr habt euch doch bestimmt einen saftigen Bissen verdient.“
Kleeblatt grinste breit.
„Oh, das lasse ich mir nicht zweimal sagen!“
Kieselfell nickte, spürte mit einem Mal seinen knurrenden Magen. „Klar, warum nicht? Kommt wer mit?“
Riffstern hob eine Braue. „Ihr beide solltet euch natürlich den frischesten Fang aussuchen. Es ist euer Tag, vergiss das nicht.“
Mit leuchtenden Augen zogen sich Kleeblatt und Kieselfell schließlich in Richtung des Frischbeutehaufens zurück, gefolgt von Bienenfell, Blumenschweif und ein paar anderen neugierigen Kriegern. Während sie durch das Lager schritten, klopften ihnen immer wieder Pfoten auf die Schulter oder hoben sich Stimmen, die ihnen Glückwünsche zuriefen.
„Wow“, flüsterte Kieselfell, „es ist fast so, als wäre das gesamte Lager nur für uns da.“
Kleeblatt schnurrte. Seine Schwester mochte offenbar die ganze Aufmerksamkeit.